Das E-Portfolio von Katharina Grimm: Dieser Block ist ein Sammlung stadthistorischer und interdisziplinärer Stadtbeobachtung in Hamburg.Hier finden Sie Stadtbeschreibungen, Fotos und Analysen zur Stadtgeschichte Hamburgs, aber auch sehr abstrakte Überlegungen zum Städtebau werden hier aufgeführt.
Mittwoch, 23. Februar 2011
Ida still im Menschenmeer
Wimmelbilder
Dresdener Wimmelbild
Ein Stadtspaziergang: Die Grindelallee
Zwischen den Stadtteilen Rotherbaum und Eimsbüttel zieht sich die Grindelallee als pulsierende Vene urbanen Lebens durch einen Architekturmix aus über hundert Jahren Städtebaugeschichte.
Jungstilhäuser mit verschnörkelter Fassade, Neubauten in Klinkeroptik und Waschbetonklötze der 60er Jahre formen einen sehr einzigartigen Eindruck dieser Straße. Die vielen Fussgänger und Fahrradfahrer, bedingt durch die Nähe zur Universität, Busse, die in dauerhafter Permanenz auf- und abfahren und die vielen kleinen Einzelhandelsgeschäfte und die Gastronomie spiegeln einen sehr lebhaften Charakter dieser Straße wieder.
In der Grindelallee
Überblick über die Grindelhochhäuser
Die Grindelhochhäuser
Die blassgelb verputzten Hochhäuser waren in den 60er Jahren ein Novum für die Hamburger - noch nie war ein Wohnhaus in der Hansestadt so weit in die Höhe gebaut worden. Die gegliederte, aufgelockerte Stadt - in den 60ern entstand mitten in Hamburg ein neues Wohn- und Lebekonzept. Nicht mehr die niedrigeren Wohnhäuser mit eigenem, kleinen Garten sollten das Areal füllen. Gemeinsames Wohnen mit einem gemeinschaftlich nutzbaren Grün war die Idee.
Konzipierte wurde der Bau von den Architekten Bernhard Hermkes, Hernhard Hopp, Rudolf Jäger, Rudolf Lodders, Albrecht Sander, Ferdinand Streb, Fritz Trautwein und Hermann Zess, die angelehnt an stadtbauliche Architekturideen der 20er Jahre, von 1946 bis 1956 die Grindelhochhäuser als Wohnquartier aufbauten. Das Areal ging bereits 1948 an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga über, die die Wohnungen bis heute betreut[1].
Mit großen Fensterfronten, teils mit tief liegenden Loggias, ragen die Hochhäuser bis zu 15 Stockwerke in den Himmel. Die Fassade wirkt wie ein einziger Spiegel, nur sehr schmal durchbricht die gelbe Fassade das Fenstermeer. Hell müssen die Wohnungen, die zwischen 17 und 85 qm groß sind, sein und lichtdurchflutet[2]. Der Blick vom obersten Stockwerk offenbart: Nichts in der näheren Umgebung ist nur vergleichbar hoch. Die Bauten der Schiffszimmerer-Baugenossenschaft, die unweit südlich der Grindelhochhäuser stehen, erscheinen dem Betrachter trotz der sechs Stockwerke winzig.
Im Paterre befinden sich kleine Geschäfte: Pflegedienste, Frisörläden und kleine Start-Ups. Obwohl unzählige Wohnungen in den hohen Häusern liegen, ist es auffällig leer im Park, auf den Wegen, vor den Häusern.
Zwischen den einzelnen Häuserscheiben deckt Rasen die Fläche. Hohe Bäume, Bänke und Büsche durchbrechen das weite Grün, bis wieder eines der Häuser den angelegten Park zerschneidet. Kleine Wege schlängeln sich durch die Häuserfluchten. Parelell angelegte Straßen, die lediglich für Anwohner konzipiert wurden, durchziehen die Anlage. Hier kann man parken oder die Einkäufe oder Waren ausladen, zum Durchfahren sind die Straßen nicht gedacht.
Die Wohnidee der 20er Jahre, umgesetzt kurz nach dem zweiten Weltkrieg, hat heute einen Funktionsverlust zu beklagen: Die Grünflächen entsprechen nicht den aktuellen Standards von heute. Hochhäuser konnten sich auch in den anschließenden Bauphasen in der Hansestadt nicht durchsetzen. Quartiere, die in die Höhe gebaut wurden, wie die Häuser am Osdorfer Born, werden von den Hamburgern nicht mit Wohn- und Lebensqualität gleich gesetzt. Bedrohlich wirken die Wohnriesen, die umringt von flächerer Bebauung in den Himmel schrauben, nicht - einladend, im moderenen Wohnsinn, erscheinen sie dem Betrachter allerdings auch nicht.
[1] Hoffmann, Kurt; Lodders, Rudolf; Sander, Albrecht (Hrsg.): Die Hochhäuser am Grindelberg der Architktengemeinschaft Grindelberg, Hamburg, Stuttgart 1959.
[2] Aus: SAGA-GWG: 50 Jahre Grindelhochhäuser; online verfügbar unter: http://www.saga-gwg.de/opencms/opencms/saga/pages/about/presse/news-data/news_0045.html (Link geprüft am 28.02.2011)
Weitere Literatur:
Schild, Axel: Die Grindehochhäuser. Eine Sozialgeschichte der ersten deutschen Wohnhochhausanlage Hamburg-Grindelberg 1945-1956, München 2007.
Narrativer Urbanismus oder Orte der Stadt
Ein besonderer Ort in meiner Umgebung ist für mich das Eppendorfer Moor. Ich wohne direkt am Ring 2, einer der meistbefahrensten Straßen in Hamburg, eine direkte, mehrspurige Straße zum Flughafen. Ab sieben Uhr morgens rollen LKWs und Autos über die Spuren, dazwischen schieben sich Krankenwagen im Eiltempo zum naheliegenden Universitätskrankenhaus. Die einen sagen dazu "urbanes Wohnen", mir wird der Lärm manchmal zu viel.
Doch anders als künstlich geplante und angelegte Gründflächen ist das Eppendorfer Moor ein Naturschutzgebiet mitten in der Stadt - und das größte innerstädtische Moor Mitteleuropas. Auf 15 Hektar erstreckt sich die grüne Oase im Stadtteil Groß Borstel an der Grenze zu Eppendorf, entlang der Alsterkrugchaussee. Seit 1982 ist das Moor ein anerkanntes Naturschutzgebiet-
Direkt von der stark befahrenen Kreuzung Alsterkrugchaussee / Tarpenbekstraße / Deelböge geht ein Wanderweg ins Innere des Moors. Links und rechts des Weges liegen umgekippte Baumstämme. Büsche säumen die sich zunehmend verzweigenden Wanderwege. Besfestigt ist hier keiner der Wege, lediglich leichter Schotter macht die Wege begehbar.
Einige Wege schlängeln sich tief ins Unterholz - schnell kann man die Orientierung verlieren. Diese Ecken des Moors sehen nur wenig Licht, selten bricht die Sonne durch die verästelten Baumkronen - im Sommer sind die dunkeln, schattig-feuchten Ecken erholsam kühl.
Ein vergraster, mit Schilf umrahmter Weiher bietet unzähligen Tieren Quartier. Ob Schwäne oder Enten, Fische oder sogar Kraniche finden hier abseits der besucherreichen Aussenalster einen Rückzugsraum. Kleine - tasächlich angelegte - Aussichtsplattformen bieten einen Blick über die Anlage.
Hamburg ist eine grüne Stadt: Parks, Grünflächen und Bäume bieten trotz der vielen Einwohner ein bisschen Natur. Doch die künstlich angelegten Wege erscheinen mir oft aufgesetzt und mitunter unecht. Die Wege sind geplant, die Bäume und Büsche bewusst plaziert, der Rasen ist auf ein genaues Maß getrimmt. Die Blumen wachsen vorhersehbar exakt in Beeten - die Natur ist gezähmt und berechenbar. Mit fehlt oft das Urtümliche, das Echte in den Parks. Dies finde ich -und auch andere Besucher - im Eppendorfer Moor. Das Moor ist nicht schön, aber natürlich authentisch. Keine Berechnung von Blumen, keine Abmessungen zwischen Bäumen und Büschen, sondern Natur in Reinform. Und das in einer Großstadt.
Gelegentlich findet man im Moor dennoch alte Holzbänke, die umringt von Himbeer- und Brombeersträuchern zum Sitzen und Verweilen einladen. Hier kann man trotz der städtischen Lage einsam sein, trotz der Nähe zum Ring 2 Ruhe finden. Nur die Flugzeuge, die gelegentlich über dem Gebiet zum Start- oder Landeanflug ansetzen, holen den Moor-Besucher zurück in das urbane Leben.
Weg, Bereich, Brennpunkt: Das Bild der Stadt
Kartierung eines Weges in der Stadt - mein Weg nach Hause
Der Weg beginnt an dem U-Bahnhof Lattenkamp im nördlichen Teil Hamburgs, an den Stadtetilgrenzen Alsterdorf, Eppendorf und Winterhude.
Zunächst muss die Bibelallee überquert werden. Dies stellt für Fussgänger kaum Probleme da - Dank günstiger Ampelphasen und tagsüber schwachem Verkehrsaufkommen kann man schnell die Fahrbahn überqueren.
Dann folgt man der Bebelallee gen Norden. Die Häuser, die an die Bebelallee angrenzen, lassen hin und wieder Lücken offen - dahinter befindet sich ein großer Spielplatz.
Die Bebelallee trifft auf eine große Kreuzung. Hier würde nach Kevin Lynch eine Grenzlinie für Fussgänger entstehen. Da der Weg aber direkt links weiterführt, können Fussgänger problemlos dem Verlauf folgen ohne auf besondere Gefahren achten zu müssen.
Dann folgt der Weg der Straße Deelböge. Der Weg steigt hier leicht an. Abgegrenzt vom Fussgängerweg gibt es grün markierte Bereiche. Diese, mit der Ziffer 2 markierten Bereiche, sind Grünflächen, die sich an beiden Seiten des Alsterlaufs entlangziehen und auch von Fussgängern betreten werden können. Im Sommer sind diese Wanderwege stark frequentiert.
Der Weg führt über diesen Flusslauf. Auch hier kann der Fussgänger, wie im gesamten Verlauf des Deelböge, seinen Weg ungehindert fortsetzen, da der Fussgängerweg sehr breit angelegt ist. Nur wer hier die Straße überqueren muss, muss sich einer verkehrstechnischen Gefahr aussetzen, da diese Straße hoch frequentiert ist. Die Straße Deelböge ist der Beginn der Nordkurve des stark befahrenen Ring 2.
Hinter der Brücke kann der Fussgänhger schon den ersten, deutlichen Merkpunkt wahrnehmen. Die gelb leiuchtende Jet-Tankstelle, in der Abbildung mit der Ziffer 3 gekennzeichnet, erhebt sich deutlich von den umliegenden Gebäuden. Die gegenüberliegenden, grün gekennzeichnete Fläche ist eine kleine Gartenkolonie, die Gebäude direkt am Weg sind sehr flach gebaut. Vor allem nachts bzw. In der Dunkelheit leuchten die gelben Werbeschilder der Tankstelle auffällig.
Am Ende der Straße Deelböge folgt ein dreieckiges Gebiet direkt an der Kreuzung zur Alsterkrugchaussee, die mit der Ziffer 4 gekennzeichnet ist. Dieses Gebiet liegt brach und ist unbebaut. Eigentlich könnte der Fussgänger dieses Gebiet als Abkürzung für den Weg klug nutzen, dennoch makiert dieser Punkt einen Brennpunkt. Vor allem zu später Stunde trifft man hier häufig – besonders im Sommer – campierende Obdachlose. Auch der Boden ist tückisch, die eins plan angelegt Betondecke ist aufgebrochen und von Büschen und niedrig wachsender Vegetation durchbrochen. Dieses Gebiet mit mulmigen Gefühl schnell zu durchqueren ist durch diese natürlichen Stolperfallen kaum möglich.
Daher setzt sich der Weg auch mit der Überquerung der Tarpenbekstraße / Alsterkrugchaussee fort. Auch wenn insgesamt sieben Spuren überquert werden, ist dies keine Gefahr für den Fussgänger Dank sehr langer Grünphasen bei den Ampeln.
Nun führt der Weg an einer kleinen Häuserzeile, die um die Jahrhundertwende gebaut wurde, vorbei. Dahinter folgt eine kleine und kurze Brücke über die Tarpe, ein kleines Flüsschenn, das später in den Alsterlauf mündet. Auch hier gibt es wieder Wanderwege.
Dahinter folgt der letzte Brennpunkt für den Fussgänger, da er eine Unterführung passieren muss. Die darüber verlaufende Gütergleisstrecke wird durch einen Tunnel für den Fussgänger vor allem in den Abendstunden als Brennpunkt wahrgenommen. Die Graffitis an den Wänden und die alten Kacheln wirken wenig einladend.
Dahinter ist das Ziel – und der Weg nach Hause ist erfolgreich beendet.
Bildbeschreibung
Pressefoto „Abriss der Wissmann-Statur“ vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg
Bildbeschreibung und Motivinformation
Die 1968 aufgenommene schwarz-weiße Fotografie stammt von einem unbekannten Pressefotografen. Der Betrachter sieht einige junge Männer, die gemeinsam an einem Strick ziehen, der um eine Statur gewickelt ist. Die Statur steht auf einem hohen Sockel, dahinter befindet ein Haus, das in ein Baugerüst eingefasst ist. Die Statur stellt einen Mann mit kolonialem Tropenhelm da, in Reiterhosen und Stiefeln, der sich mit der linken Hand auf einen Stock oder ein Schwert stützt. Die rechte Hand hat er in die Seiten gestemmt. Der Mann steht leicht links geneigt, aufrecht und blickt in die Ferne. Der Sockel darunter hat die Form eines Polyeders.
Die Männer im Bildvordergrund stemmen sich zum Ziehen gegen die Statur. Sie wirken jung, maximal 30 jahre alt. Sie tragen Jeans, Hemden und zum Teil Pullunder und Jacken. Das Tau und der letzte daran Ziehende verschwinden im linken Bildrand. Das Seil verläuft diagonal durch das Bild, die Statur steht hinten im rechten Bildbereich.
Links sieht der Betrachter ein zwei-geschossiges Klinker-Gebäude mit Anbau. Es ist komplett von einem Baugerüst umgeben. Das Dach wird von Ziegeln bedeckt.
Bildeinordnung in den Kontext
Das Bild zeigt das Hauptgebäude der Hamburger Universität an der westlichen Längsseite. Die Bildungseinrichtung wurde 1911 als Hamburgisches Kolonialinstitut gegründet. Finanziert wurde der Bau von Edmund von Siemers auf der Moorweide. Die Straße, die vor dem Gebäude verläuft, trägt inzwischen den Namen des Mäzens. Das Institut sollte angehende Kolonialbeamte vorbreiten. Erst nach dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem Verlust der deutschen Kolonien wurde 1919 die Universität Hamburg eingeweiht.
Die Statur zeigt Hermann von Wissmann und wurde 1909 in Daressalam in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika – dem heutige heute Tanzania – eingeweiht. Die Statur aus Bronze wurde bereits 1905 von Adolf Kürle konzipiert und hat eine Gesamtgröße von 4,50 Metern.
Die Statur steht nicht allein, dies ist jedoch auf dem Foto nur bedingt zu erkennen. Unterhalb Wissmann wird ein Askari-Krieger dargestellt – in typischer Uniform und mit der Reichsflagge in der Hand -, der zu Wissmann aufsieht, der auf einem über zwei Meter hohem Granitsockel steht. Neben dem Krieger liegt ein erlegter Löwe. Askari, in swahili "Krieger" meinend, wurde zur offiziellen Bezeichnung der deutschen Schutztruppe in Ostafrika. Die Truppen bestanden ausschließlich aus einheimischen Soldaten und waren im ersten Weltkrieg ein wichtiger Bestandteil des deutschen Heeres im Kampf auf afrikanischem Boden gegen die Briten.
Eine Inschrift auf der Vorderseite verriet die Lebensdaten von Wissmann, auf den Seiten stand in arabisch und swahili: „Unser Herr von früher, er hat die Küste beruhigt und uns auf den richtigen Weg gewiesen.“ (http://www.zeitenblicke.de/2004/01/speitkamp/Speitkamp.pdf)
Nach dem Ersten Weltkrieg kam das Denkmal über London nach Hamburg und wurde 1922 vor der Universität Hamburg aufgestellt.
Die Darstellung, dass ein farbiger Krieger zum weißen Mann aufsieht, versinnbildlicht die Sichtweise auf die Kolonien. „In mythifizierender, wilhelminisch-pathetischer Bildsprache wird hier eine starke Hierarchie zwischen 'Schwarz' und 'Weiß' festgelegt. Die Konstruktion findet hier seinen Ausdruck in symbolischer, überhöhter und verdichteter Form.“ (http://www.afrika-hamburg.de/denkmal.html).
Während der Zeit der Nationalsozialisten entwickelte sich die Statur zu einer wichtigen kolonialen Weihestätte und verdeutlichte den Anspruch der Nationalsozialisten auf eine Rückgabe der Gebiete. Die Statur sollte „die Erinnerung an das Verlorene wach halten und an das Streben nach dem Wiedererwerb des überseeischen Kolonialgebiets“ (http://www.manuelsarrazin.de/sites/default/files/dokumente/06-2010/195949hamburgundkolonialismus02.pdf) erinnern.
Hermann von Wissmann, 1853 in Frankfurt an der Oder geboren, war zunächst Afrikaforscher und Kolonialbeamter, bevor er 1896 zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika ernannt wurde, wobei er das Amt aus Krankheitsgründen noch im selben Jahr wieder abgeben musste. Zuvor hatte er im Dienst Belgiens den gesamten Kontinent bereist.
Wissmann ist historisch eine umstrittene Person. Zeitgenössische Autoren sahen in ihm „Deutschlands größten Afrikaner“( vergl. Alexander Becker, Conradin von Perbandt, Georg Richelmann, Rochus Schmidt, Werner Steuber: Herrmann von Wissmann. Deutschlands größter Afrikaner. Sein Leben und Wirken unter Benutzung des Nachlasses, Berlin 1906.).
In der Literatur finden sich Fürsprecher, aber auch Kritiker, die ihn zumindest indirekt für die Menschenrechtsverbrechen in den Kolonien verantwortlich machen. Zwar war er selbst zu Zeiten von blutig niedergeschlagenen Aufständen der Einheimischen nicht mehr vor Ort, dennoch war er Wegbereiter der Kolonialmacht Deutschland.
Mitte der 1960er Jahre entwickelte sich in Deutschland der Studentenprotest. Die Ablehnung gesellschaftlicher Normen, aber auch die Abgrenzung zur Generation der Eltern, die das Nazi-Regime zumindest geduldet, wenn nicht sogar unterstützt hatten, wurde nach außen getragen. Zu den Forderungen nach mehr Demokratie, beispielsweise an den Hochschulen, Selbstbestimmung der Frauen und Anti-Kriegs-Forderungen, kam vor allem der Wunsch nach einem neuen Umgang mit der nationalsozialistischen Zeit hinzu. Dabei ging es weniger um die strukturelle Aufarbeitung der Zeit, sondern vielmehr um eine Ablehnung, Abgrenzung und Abwehrhaltung gegen jegliche Spur nationalsozialistischer Einflüsse. Auch die Kolonialzeit mit der Unterdrückung der afrikanischen Bevökerung und der wirtschaftlichen und kulturellen Ausbeutung wurde angeprangert.
Die Statur Wissmanns vor dem Hauptgebäude der Universität war daher für die Studenten nicht tragbar. Die ersten Aktionen gegen das Denkmal gab es ab 1961. Bereits 1967 wurde die Statur vom Sockel gerissen, allerdings danach wieder aufgestellt. 1968 wurde das Denkmal in einer medienwirksamen Aktion vom Sockel gerissen und im Anschluss in der Sternwarte in Bergedorf eingelagert.
2004/2005 wurde das Denkmal noch einmal öffentlich ausgestellt, um an die koloniale Vergangenheit der Stadt zu erinnern. Das Kunstprojekt Afrika-Hamburg schaltete dazu eine Internetseite (http://www.afrika-hamburg.de/ ), um eine öffentliche Debatte anzuregen und dieser einen Raum zu bieten (http://www.thing-hamburg.de/index.php?id=483 und http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=127&type=rezwww ). Seit 2005 ist das Denkmal wieder in Bergedorf.
Bildkomposition und Aussage der Fotografie
Die Bildkomposition verrät, dass der Fotograf den Bildausschnitt nicht zufällig abgelichtet hat, sondern dass die Darstellung bewusst ausgewählt wurde. Der Betrachter steht schräg hinter den Studenten, fast als würde er mit in der Reihe der Ziehenden und Abreissenden stehen. Die Blickführung zeigt schrägt von unten auf das Denkmal, der Betrachter sieht also aus der Reihe der Studenten über ihre Köpfe hinweg auf die Statur. Das Gebäude im Hintergrund, das sich in einer Sanierungsphase, also im Umbau, vielleicht auch im Umbruch, befindet, verdeutlicht den Aspekt des Aufbruchs, des Neuanfangs. Aus alt mach neu – mit dem Abriss der Wissmanskulptur ging auch gesellschaftlich eine neue Sicht- und Denkweise einher. Dies wird auch durch die Fotografie deutlich. Die medienwirksame Aktion war von den Studenten gewollt, der Tenor des Abrisses war klar – und der Fotograf stellte mit seinem Bild die Aktion durch Bildausschnitt und Bildsymbolik in der von den Studenten gewollten Weise dar.
Kunst im öffentlichem Raum
Die Büste von Heinrich Carl Schimmelmann und der durch Kunst angestoßene Diskurs in einem Stadtteil
Das Vorurteil, Kunst im öffentlichen Raum fehle es an Ästhetik oder Vorbeigehende würden den Sinn und Inhalt des Dargestellten nicht verstehen, kann zumindest durch die Büsten am Wandsbeker Puvogelgarten nicht bestätigt werden. Auch wenn die Statue von Heinrich Carl Schimmelmann zunächst nur eine Bronzeplastik ist, löste sie dennoch eine Diskussion aus, die über Jahre in einem Stadtteil – und auch darüber hinaus – geführt wurde. Akteure waren nicht nur Politiker, auch die regionale Presse und vor allem Stadtteilinitiativen und Bürgerbewegungen machten Front gegen den Dargestellten. In diesem Fall kann also sehr wohl eine Bronzeplastik auch Uninteressierte mobilisieren, sich mit dem Dargestellten - in diesem Fall der Vergangenheit und vor allem dem Umgang damit auseinanderzusetzen. Dabei muss beachtet werden, dass der Ausgangspunkt der Diskussion nicht die Art und Weise der künstlerischen Darstellung war, sondern die Motivwahl die Anwohner erzürnte.
Zur Entstehung der Büste
Die Büste von Heinrich Carl von Schimmelmann wurde von der Nürnberger Künstlerin Simone Weik erschaffen. Dafür fertigte sie aus Gips eine Vorlage, durch die dann ein Abdruck entstand, der mit Bronze ausgegossen wurde. Die Büste ist auf einem Betonquader befestigt. Der Kopf des Abgebildeten ist leicht nach links in die Höhe geneigt, der Blick schweift in die Ferne. Künstlerisch hat sich Weik für eine sehr plastische Darstellung entschieden, die Oberfläche der Büste ist stark strukturiert. Farblich schimmert sie in bronze, auf weitere Einfärbungen wurde verzichtet.
Die drei süddeutschen Künstler Simone Weik, Matthias Rodach und Antje Jakob wurden von der Hamburger Firma für Gebäudeausrüstung IMTECH mit der Fertigung der drei Büsten beauftragt. Das Unternehmen hatte bereits von der Bezirkverwaltung eine Löwenstatue – der Löwe repräsentiert Wandsbek schon seit Jahrhunderten – bekommen . Dies sei nun die „Revanche“, hieß es in der Pressemitteilung[1]. Die Firma IMTECH konnte sich zumindest durch die Auftragsarbeiten der jungen Künstler als Mäzen für Kunst im öffentlichen Raum in Wandsbek darstellen.
Aufgestellt wurde die Büste mit zwei weiteren Statuen mutmaßlich herausragender Wandsbeker Bürger im Puvogel-Park. Der Park liegt östlich des Wandsbeker Marktplatzes, der das verkehrstechnische Herzstück des Stadtteils bildet. Täglichen nutzen viele Einwohner die U-Bahn-Haltestelle und den anliegenden Busbahnhof zum Umsteigen. Die umliegende Wandsbeker Marktstraße und ihre Verlängerung, die Wandsbeker Chaussee, sind die Hauptverkehrsadern des Stadtteils. Ihre Struktur ist geprägt durch viele Fußgängerüberwege, die Fußgänger und Fahrradfahrer intensiv nutzen. Südlich des Puvogelparks liegt das Stormaner Haus, das inzwischen als Bezirksverwaltung genutzt wird. Der Puvogelpark liegt somit an einer sehr prominenten Ecke des Stadtteils, der durch Cafés, aber auch durch das nahe gelegene Einkaufszentrum „Wandsbek Quarre“ bis in die späten Abendstunden von vielen Menschen durchquert wird.
Namensgeber des Puvogelparks war der Wandsbeker Bürgermeister Friedrich Puvogel, der zwischen 1873 und 1907 durch die Modernisierungen des Stadtteils diese Ehrung erhielt. Die anderen Büsten zeigen Tycho Brahe, eiinen dänischen Adeligen und bedeutenden Astronom und Heinrich Rantzau, der von 1556 bis 1598 Statthalter des dänischen Königs war.
Nachdem der Puvogelgarten am 16. August 2006 mit einer offiziellen Einweihung für die Öffentlichkeit wieder zugänglich wurde, versendete die Bezirksverwaltung von Wandsbek am 28. August eine Pressemitteilung. Anlass war die Übergabe der drei Bronzestatuen an die Hansestadt Hamburg, die im Puvogelpark errichtet wurden. Passend zum Hamburger Tag des Denkmals wurden für die Feierlichkeiten die Kultursenatorin Frau Prof. Dr. Karin von Welck und des Bezirksamtsleiters Gerhard Fuchs eingeladen. Die Aufstellung der Büste wurde zum 10.September 2006 angekündigt. Im Zuge des Wandsbeker Kunst- und Kulturmarktes wurden die Büsten am 10. September ab 14 Uhr mit einer offiziellen Einweihung übergeben.
Zur Person Schimmelmanns
Heinrich Carl von Schimmelmann wurde am 13. Juli 1724 in Demmin, einem Ort in Vorpommern, der damals zu Preußen gehörte, geboren. Als jüngster Sohn einer Kaufmannsfamilie wurde er als Erbe für die Handlungsgeschäfte seines Vaters ausgewählt. Nach einer Lehre als Seidenwarenhändler gelangte Schimmelmann auf Umwegen nach Dresden, wo er als Lieferant im Siebenjährigen Krieg die kämpfenden, preußischen Truppen mit Getreide versorgte.
Schimmelmann verließ Dresden aufgrund der zwielichtigen Geschäfte und siedelte in den Raum Hamburg. Schimmelmann kaufte 1759 das Gut Ahrensburg für 180.000 Reichstaler. Ahrensburg gehörte damals noch zum Staat Dänemark, genauso wie Wandsbek und Altona.
Ab 1762 kaufte Schimmelmann weitere Liegenschaften in Dänemark und Wandsbek. Zunehmend baute er auch das Geschäft mit den Kolonien aus. Zunächst importierte er nur die Güter aus den Regionen. Doch ab dem Frühjahr 1763 kaufte er in Kopenhagen die größte Zuckerraffinerie Nordeuropas, um durch die Monopole und Privilegien auch mit der Verarbeitung der Rohstoffe Geld zu verdienen. Schimmelmann übernahm die Raffinerie für 40.000 Reichstaler, im Preis inbegriffen waren die wirtschaftlich angeschlagenen Zuckerrohrplantagen des dänischen Königs, der den durchaus billigen Preis für die Plantagen aus akuter Geldnot angesetzt hatte. Mit dem Erwerb der Gebiete begann der atlantische Dreieckshandel und somit die Ära Schimmelmanns als Sklavenhändler[2].
Der atlantische Dreieckshandel bestand aus dem Export kolonialer Rohstoffe und Waren nach Dänemark, das heißt genauer nach Ahrensburg und Wandsbek. Die Verarbeitung der Waren wurde in eigenen Manufakturen getätigt und die fertigen Produkte wurden danach wieder verschifft – oftmals zurück in die Kolonie. Aus dem Rohzucker wurde Alkohol destilliert und aus Baumwolle wurden Stoffe gewebt. Um ausreichend Arbeitskräfte auf den Plantagen zu haben, wurden an der westafrikanischen Küste Einheimische regelrecht eingefangen oder von ihren Stammeshäuptlingen gegen billigen Schnaps an die Sklavenhändler getauscht. Die Sklaven wurden mit Schiffen über den Atlantik gebracht. In Westindien, der Karibik oder den amerikanischen Südstaaten wurden die Sklaven dann an Plantagenbesitzer verkauft, um wiederum den Rohstoff für Schnaps, Kattun oder Stoffe anzubauen und zu ernten.
Im Jahr 1778 gegründete Schimmelmann die Dänische-Westindische-Handelsgesellschaft, die auf den Sklavenhandel fokussiert war. Dadurch rückte der Sklavenhandel immer mehr in den ökonomischen Blick von Schimmelmann. Bereits ein Jahr später wurde Schimmelmann in den Adelsstand erhoben und durfte den Titel Graf tragen[3]. Schimmelmann starb im Jahr 1782 und hinterließ ein Vermögen von fünf Millionen Reichstalern[4].
Das Handeln von Schimmelmann war immer wirtschaftlich geprägt. Er entstammt dem Bürgertum, wollte aber gesellschaftlich aufsteigen. Dabei handelte er nicht aus humanitären Grundsätzen, die in seiner Zeit, der Aufklärung, zunehmend Anhänger fand, sondern immer rein materialistisch. Er agiert rücksichtlos, wie geschickt im atlantischen Dreieckshandel[5]. Seine wirtschaftlichen Erfolge aufgrund von Versklavung grundlegend zu verdammen, wäre aus historischer Sicht unklug. Im 18. Jahrhundert war die Sklaverei gesellschaftlich nicht schlichtweg problematisch, sondern Mittel zum Zweck. Christian Degn sieht Schimmelmann als „idealtypischen Vertreter des vorindustriellen Kapitalismus“[6], da er ökonomisch vorausschauend Güter, Waren und Produktionswege förderte, die gefragt waren. Dass Schimmelmann einen Teil des wirtschaftlichen Aufstiegs von Wandsbek mit verantwortete, ist unbestritten. Dennoch sollte man abseits der Historizität die Frage nach der Wertschätzung und der allgemeinen Bewertbarkeit der kolonialen Vergangenheit stellen. Anhand der Person Schimmelmann zeigt sich deutlich, dass die Aufarbeitung der Kolonialzeit in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt.
Die Diskussion um die Büste
Schnell bildeten sich zwei Lager – auf der einen Seite die regierende CDU-Fraktion, die auch Unterstützung durch die Hamburger Tageszeitung „Abendblatt“ erfuhr. Sie verteidigte die Entscheidung, diese Büste aufgestellt zu haben. Schließlich sei ja dadurch eine Möglichkeit der Diskussion überhaupt erst geboten worden.
Auf der anderen Seite stellten sich – auch aus oppositionspolitischen Gründen – die GAL und SPD auf. Dazu kamen die Bürgerinitiativen, wie Black Community oder das Eine-Welt-Netzwerk. Durch die Hamburger Morgenpost bekommen die Ansichten der Büsten-Gegner eine Stimme.
Die Black Community startet mehrere Demonstrationen, um auf die Schimmelmann-Büste aufmerksam zu machen. Am 20. Oktober 2006 stellt der Menschenrechtsverband Strafanzeige gegen die Kultursenatorin von Welck und den Bezirksamtsleiter Fuchs. Auf der Internetseite können sich Interessierte informieren und in Foren austauschen. Auch in den Schulen des Stadtteils ist die Büste Thema. Das Eine-Welt-Netzwerk ruft in Wandsbek zu Demos auf. Darüber hinaus bieten die Mitglieder Stadtführungen, die koloniale Spuren sichtbar machen.
Die Medien, besonders das Abendblatt und die Mopo, aber auch die taz und der Norddeutsche Rundfunk, berichten nahezu lückenlos über die Geschehnisse um die Büste. Dabei liegt der Fokus zwar auf dem Politikum, doch auch die Anwohner und Demonstranten kommen zu Wort.
Im November 2006 wird der erste Farbanschlag auf die Büste verübt. Unbekannte hatten nachts rote Farbe über die Büste gekippt. Es folgten weitere Farbanschläge – am Ende war die Farbe kaum noch von der Büste abwaschbar und die Spuren blieben in der stark strukturierten Oberfläche der Büste hängen.
Mit dem Entfernen der Büste im September 2008 endet die öffentliche Debatte um die umstrittene Person Schimmelmanns – aber auch die durch Kunst im öffentlichen Raum angestossene Diskussion um die Sichtbarkeit und Präsenz kolonialer Historie. Eines verdeutlicht die Statur Schimmelmanns allerdings: Kunst im öffentlichen Raum kann Diskussionen anregen und auch bis dahin unwissenden oder desinteressierten Anwohnern die Historie des eigenen Wohnorts näher bringen.
[1] Die Pressemitteilung ist online verfügbar: http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/bezirke/wandsbek/pressemitteilungen/pressemitteilungen-archiv/2006/september/2006-09-01-uebergabe-der-bronze-koepfe.html
[2] Winkle, Stefan: Firma Schimmelmann und Sohn. Der dänische Sklavenhandel, Hamburger Ärzteblatt 12/03, S. 530.
[3] Hiemer, Frank: Sklavenhandel und Schimmelmann. Ketten, Halseisen und Fußfesseln, in: Hamburg und Kolonialismus. Kolonialspuren und Gedenkkultur im Selbstverständnis der Handelsstadt, GAL-Bürgerschaftsfraktion(hrsg.), Hamburg 2007, S.35.
[4] Möhle, Heiko: Branntwein, Bibeln und Bananen, Hamburg 1999, S.14.
[5] Walden, Hans: Versetze Natur. Überseehandel und Hamburger Kaufmannswälder, in: Flint, Michael (hrsg.), Der Deutsche Tropenwald, Frankfurt a.M. 2000, S. 134.
[6] Degn, Christian: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel: Gewinn und Gewissen, Neumünster 1974, S. 90.
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